Dienstag, 30. März 2010

Slasher Maggie - 4. Szene

4. Szene

SM kniet neben dem Rosenstrauch mit weißen Rosen. Neben ihr ein großformatiger, in Leder eingebundener Terminkalender u. ein Eimer mit roter Farbe.

Ich mag’s nicht leiden, wenn ihr weiß seid.

Weiß wie die Sterne, die er mir schenkte.

Das Sternensystem, das er mir versprach.

Als wollte ich nicht lieber auf Erden sein.

Als hätte ich nicht lieber irdische Geschenke haben wollen.

Als wäre er nicht Geschenk genug gewesen.

Aber er verschenkte sich nicht. Er setzte lieber einen Kontrakt auf.

Die Dinge müssten geregelt sein.

Alles solle eine Ordnung haben.

U. die Ordnung war, ich hatte den Kontrakt auf der Maschine schreiben müssen.

Da stand drin, was ich zu tun u. was ich zu unterlassen hatte.

Das war schon in Ordnung.

Irgendwie.

Es ging ja um uns.

So wusste ich wenigstens, dass es uns gab.

Das ich u. das du.

U. irgendwie, wenn auch genau geregelt, das wir.

Er verschenkte sich nicht. Er handelte sich aus.

SM schöpft mit beiden Händen rote Farbe u. schüttet sie über die Rosen. Dabei läuft ihr die Farbe an den Armen hinab u. tropft in den Schoß.

Sie nimmt eine rotgefärbte Blüte u. legt sie in den Terminkalender. Sie presst den Terminkalender fest zusammen, dann kniet sie darauf. Sie zupft einige grüne Blätter u. schmeißt sie nach vorne. Dabei sticht sie sich immer wieder an den Dornen u. schreit leise.

Ich will nicht schreien. Ich sei eine Soldatin, sagte er.

Tapfer sei ich.

Mutig.

Mir könne man viel zumuten. U. er mutete mir mehr zu.

Das freute mich. Er hätte es nicht in einem Kontrakt regeln müssen.

Ich wollte es ihm gleichtun. Ich dachte, es freut ihn.

Ich gab ihm eine Liste, wie eine Frau anzufassen ist.

Er hatte da so gar keine Ahnung von.

Obwohl er doch bei so vielen lag.

Aber er lag ja gar nicht.

Er sah sie gar nicht. Das Licht war verlöscht.

Erste Regel: Lösche das Licht nicht. Wie willst du von der Liebe reden, wenn du nicht siehst, was du tust.

SM nimmt wieder Farbe u. schüttet sie über die Rosen. Sie nimmt eine Blüte u. legt sie in den Terminkalender.

Ich schreie nicht. Ich schrie nicht, als ich für ihn in den Krieg zog.

In diesem Land schien eine helle Sonne.

Ich sah alles.

Die anderen debattierten in dunklen Hinterzimmern.

Ich ging wie einst als Kind in die Felder u. sah das Schlachten.

Er verschloss davor die Augen u. sagte, er kämpfe mit seinen Mitteln dagegen.

U. eins dieser Mittel wäre, dass ich seine Augen sei.

Ich wollte seine Augen sein.

Aber lieber wäre mir gewesen, er hätte in meinen Augen mich gesehen.

Regel Nummer zwei: Mache sie nicht zu deinem Werkzeug. Wie willst du mit ihr Liebe machen, wenn sie nur ein Teil von dir ist.

Dann kannst du dir’s auch alleine machen.

SM lacht u. greift gezielt in die Dornen. Sie stöhnt leise auf.

Sie reißt eine Rose aus. Schlägt sie sich auf den Rücken. Die eingefärbte Rose hinterlässt rote Spuren auf dem Rücken. Dann bricht sie die Blüte ab u. legt sie in den Terminkalender.

Meine ganze Zeit gehörte dir. Ich schrieb für dich, was du diktiertest.

Dann spartest du dir selbst das Diktieren. Ich könne auch so schreiben.

Ich kännte dich ja wie mein eigenes Herz.

Du nahmst dir die Zeit, keine zu haben.

In der Nacht kamst du geschlichen, in der Nacht liefst du wieder weg.

Zogst dich nicht mal aus. Ein Öffnen der Hose musste genügen.

Du sagtest, man müsse sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren.

Ich sage dir Regel Nummer drei: Nimm dir die Zeit u. ziehe dich zumindest aus.

Wie willst du nehmen, wenn du dich nicht einmal selber gibst? Wie willst du zärtlich sein, wenn du in groben Leinen steckst?

Aber du wolltest ja nicht zärtlich sein.

Du wolltest kommen u. ich sollte ja sagen.

Sag ja, sagtest du, wenn du in der Tür standst wie ein Gespenst.

Mitten in der Nacht.

Als ich zögerte, schenktest du mir einen Ring.

Er sei nicht teuer gewesen. Du gabst es sogar zu.

Was brauche er teuer sein, sagtest du, wenn er nur hält, was wir uns versprechen.

Ich sollte dir versprechen, dass ich dir immer verbunden bin.

Dir u. keinem anderen. Du wolltest versprechen, dass dich, wenn möglich, diese Verbundenheit nicht stört u. dass du, wenn du die Zeit findest, zu mir kommst.

U. das wichtigste war für dich, dass ich durch diese Verbundenheit in deinem Namen schreiben dürfe. Jetzt müsstest du nicht mehr diktieren. Das Diktieren vertrüge sich mit der Liebe nicht.

Was weißt du schon von der Liebe. Du verschlangst die Liebe wie man auf Volksfesten Bier in sich schüttet. Hinterher gröltest du Worte von der Liebe u. schlugst sie damit in die Flucht.

Du kanntest dich aus mit der Flucht. Deshalb lief dir die Liebe immer wieder nach.

Deshalb lief ich dir immer wieder nach.

Denn, wenn du wolltest, konntest du Worte sagen, die wirklich jeder Diktatur gefährlich werden konnten.

Du wusstest aber nicht welche.

Du dummes Kind.

Warum hörtest du mich nicht? Warum nahmst du dir diese Zeit nicht?

Wir waren nicht immer auf der Flucht.

Du aber kamst in der Nacht u. gingst in der Nacht.

Ich war dir auch ohne Kaugummiautomatenring verbunden. Aber du sahst mein Herz nicht. Sahst nicht, wie es in meinen Augen stand. Wie es unter jedem cm meiner Haut schlug.

Du konzentriertest dich auf das Wesentliche. Den Rest könne ich schon selber erledigen.

Ok.

Dann will ich mal den Rest erledigen.

Wieder reißt SM eine Rose aus, tunkt sie in die rote Farbe. Schlägt sich damit auf die Brüste. Zwickt die Blüte ab u. legt sie in den Terminkalender.

Du wusstest dein Hände nicht zu gebrauchen. Sie waren für dich nur da, um dich damit abzustützen, beugtest du dich über mich.

Sie waren für dich nur da, um sie übereinander zu legen, schrieben wir für dich. Du ließest es mich noch nicht einmal alleine tun.

Ich sei zwar stark. Aber auch krank. Deshalb habest du die anderen Frauen mir zur Seite gestellt.

Dankeschön.

Das hat mich aber gefreut. Dass du im Garten mit Männern saßt u. ihr lachtet u. klopftet euch auf die Schultern. Dafür waren dir deine Hände wiederum nicht zu schade.

So höre Regel vier: Benutze zum Anfassen deine Hände u. nichts an mir will unangefasst bleiben. Wisse, die Liebe muss man greifen, muss man zu packen wissen, sonst wird sie ätzend u. frisst sich in die Haut u. hinterlässt rote Male.

Willst du die meinen sehen.

Aber du hast ja keine Zeit.

SM nimmt den Terminkalender

Seit Monaten kein Termin mit dir. Noch auf Monate keinen Termin mit dir.

Ich solle für dich regeln, dass du ans andere Ende der Welt fahren kannst.

Ich mache das.

Du weißt es.

U. du hast für mich noch nicht mal eine Nacht übrig.

Jede Nacht wache ich u. hoffe, du stündest in der Tür.

Mein Liebesgespenst.

Ich will keine Sekunde davon verpassen. Du sollst mich nicht erst wecken müssen. Du sollst mich nicht erst Atem finden sehen. Die Krankheit nimmt mir den Atem. Immer weniger kann ich liegen, nur mehr sitzen. Dir soll die Zeit gehören, in der ich liegen kann.

Du sagtest, bleib sitzen, das geht auch so.

Schau, damals

SM blättert im Terminkalender

damals stand auf jeder Seite dein Name. Fast jeder Tag trägt deinen Namen.

Es gab nicht mehr Montag u. Dienstag u. Mittwoch usw. Es gab nur noch dich u. deinen Namen.

Wie muss es mir damals gut gegangen sein.

Wie muss mein Herz gesprungen sein vor Freude.

Hättest du mich angefasst, hättest du es gespürt.

Jede Nacht war ich feucht.

Jeden Tag hatte ich unendlichen Durst u. ich wusste, dieser Durst kommt von dir.

Ich trank in kleinen Schlucken. Der Durst sollte nicht sofort verschwinden. Er kam ja von dir.

Du sagtest, trinke erst, komme dann zu mir.

Als ich kam, warst du schon nicht mehr bei dir.

Also wartete ich u. starrte auf die Tür.

Jede Nacht.

Seitdem bin ich immerzu müde.

So höre die fünfte Regel: Ermüde die Liebe nur durch die Liebe. Die Liebe ist zwar erwartungsvoll, doch auch ungeduldig. Lässt du sie warten, geht sie u. erschlägt einen Menschen. Willst du das?

Aber was kümmerte dich ein Menschenleben?

Was kümmerte dich mein Leben,

wenn ich nur tat, was du wolltest.

Hättest du nur immer was gewollt. Aber wie oft musste ich willenlos bleiben.

Willenlos auf meinem Stuhl an meinem Tisch in einem fremden Land, das nicht das meine war.

Du sagtest, wozu hätte ich die Sprachen gelernt. Ich müsse also fahren, sonst wäre es Geldverschwendung gewesen. Ja, du verschwendetest dein Geld nicht.

SM lacht.

Du hattest nur deine Sprache. Deshalb sprachst du keine andere.

Ich hatte keine, deshalb hatte ich die anderen gelernt.

Praktisch für dich.

Ich hatte auch deine gelernt.

Noch praktischer für dich.

Du konntest dir das Diktieren sparen.

Hättest du nur einmal mit mir gesprochen, hätte ich meine Sprache gefunden.

Ich hab sie doch nur verlegt.

Weißt du.

Nur verlegt,

wie man seine Puppe verlegt. Man versteckt sie, damit die bösen Gespenster sie nicht finden. U. dann vergisst man sie einen Tag. Ich hasse mich dafür. U. dann findet man sie nicht wieder. Kann sich einfach nicht erinnern. U. kann ab dem Tag nicht mehr spielen. Hätte ich nur weiter gespielt, ich hätte sie wieder gefunden.

Hätte Mutter nicht so geschrieen u. Vater so geschwiegen.

SM greift in die Dornen.

SM nimmt den Eimer u. schüttet die restliche Farbe über die Rosen.

Hättest du mit mir gesprochen.

Ich hätte dir geantwortet.

Weißt du.

Ich hätte dir geantwortet.

Ich hätte meine Stimme gefunden. Sie lag doch nicht weit.

Sie lag doch nicht weiter weg.

War nur ein bisschen heiser geworden.

Ein bisschen tonlos.

Aber hörst du nicht?

Es geht schon wieder.

Regel Nummer sechs, meine letzte Regel für dich: Du musst zu der Liebe sprechen. Musst sagen, dass du sie willst. Dann antwortet sie dir auch. Du aber wolltest nur deine Stimme hören.

So verzog sich die Liebe in diesen schwarzen, schalldichten Raum.

Du wirst meine Stimme nie mehr hören.

Nie mehr, sag ich.

Du nicht.

Hier wird sie aufgezeichnet für all die, die sprechen u. hören können.

Du konntest es nicht.

Du diktiertest.

U. das spartest du dir noch.

Ich sagte es bereits.

Ich weiß, ich kann mich nicht auf das Wesentliche konzentrieren.

Du warst mein Wesentlichstes. U. ich wollte es für dich sein.

Aber du gingst in den Garten. U. dann durch die Gartentür hinaus.

Hättest ruhig die Haustüre nehmen können.

Dann hätte ich dich wenigstens gehen sehen.

Du ließt mich zurück wie den letzten Dreck.

So sage ich für alle: Ich bin ein Dreck.

Na und.

Ficktest du eben im Halbdunklen, im Zwischen-zwei-Terminen, mit halbgeöffneter Hose einen Dreck.

Es konnte dir ja nicht schmutzig genug sein.

Ich bin ein Dreck.

Schwer verschmutzt von der Liebe.

Du hast die Liebe zurück gelassen.

Möge dir deine Flucht gelingen.

Aber die Liebe ist hier.

U. meine Krankheit ist hier.

Diese treue Seele.

SM lacht. Sie steht auf u. legt sich wieder auf die Pritsche.

Die Krankheit geht nicht.

Fällt mir das Atmen schwer, so weiß ich doch, ich atme noch.

Und manchmal denke ich, du stündest in der Tür.

U. dann ist es doch nur die Angst, die da steht.

Die Krankheit hat sie aus mir vertrieben.

Sie lächelt mich an.

Die Angst.

Sie weiß, ich hätte sie nicht vertrieben.

Deshalb singt sie ein Lied.

Deshalb lässt sie mich endlich einschlafen.

Gut Nacht, du.

Hättest du nur gewusst, wer ich bin.

SM schläft ein.

Licht aus.

©Klaus Peter Buchheit. Augsburg 2006


Slasher Maggie - 4. Szene © 2010 Klaus Peter Buchheit ( E-Mail )


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